Was haben Tulpen und Halleluja gemeinsam
An einem Sonnabend im Frühling machte ich mich auf den Weg zur Bahn. Es war noch früh am Morgen. Es nieselte still vor sich hin. Auf der breiten Straße, die ich entlang ging, war weit und breit kein Mensch zu sehen, nur ein Vogel begrüßte mich ab und zu. Die vielen Bäume und Sträucher an der Seite gaben mir das Gefühl allein mit mir und zugleich geschützt zu sein.
Es war ein schönes Gefühl. Ich genoß die klare Luft und die Ruhe, die sich in mir ausbreitete. Zu dieser Zeit lernte ich im Gesangsunterricht gerade das Lied Halleluja. Der Morgen lud geradezu dazu ein, das Lied laut zu singen. So nahm ich meine Kopfhörer, startete meine Audioaufnahme und schmetterte ungezwungen das Lied im Duett mit meinem unsichtbaren Gesangslehrer. Nur einmal stoppte ich kurz den Gesang - als mir ein junger Mann entgegenkam.
Nach einer Weile kam ich zur Bahnunterführung - und sang weiter. Ich wollte ein paar Blumen als Geschenk kaufen. Ich stand - noch immer singend - vor den Blumen und suchte mir einen wunderschönen Strauß mit roten und gelben Tulpen aus. Bei meinen Besuchen in Asien habe ich immer gestaunt, wie ungezwungen die Menschen dort in der Öffentlichkeit singen. Was nach meiner Erfahrung bei uns eher erstaunte oder auch andere Blicke auf sich zieht, gehört dort zum Alltag.
Der asiatische Blumenverkäufer guckte im ersten Moment vollkommen überrascht und strahle mich dann an. Ich hatte inzwischen singend meinen Blumenstrauß ausgesucht und wollte ihn bezahlen. Da nahm mir der Verkäufer zu meiner Verblüffung den Blumenstrauß ab und brachte ihn zurück. Ich dachte, nanu, was macht er da, ich will doch die Blumen kaufen.
Er guckte alle Sträuße durch, suchte den Schönsten aus, gab ihn mir - und sang mit mir zusammen ein paar Takte von Halleluja. Wir lachten uns beide an. Ich ging weiter und wir winkten uns zu. Was für ein schöner Start in den Tag.
Seitdem heißen Tulpen bei mir Halleluja-Blumen.